Gründung des Heimatvereins 2004 anlässlich des
Schul- und Heimatfestes
Sohra im Jahre 2008
Es ist wieder zur Tradition geworden, Schul- und Heimatfeste zu feiern, zu denen sich viele Ehemalige in ihrem Heimatort treffen, die sich über Jahrzehnte aus den Augen verloren haben. Auch unsere Nachbarorte bereiteten ihre Feste vor und hätten unseren kleinen Ort gern mit einbezogen. Aber die Sohraer hatten Ehrgeiz und wollten ein eigenes Fest gestalten. Dazu brauchte man ein gutes Konzept, viele Ideen, Zeit und Geld – vor allem aber engagierte Mitstreiter. Deshalb fanden sich Einwohner von Sohra zusammen und gründeten 2004 ein „Festkomitee“.
Durch Zufall erfuhren sie von Recherchen zur Ortsgeschichte durch Siegrid Edinger – ehemalige Einwohnerin von Sohra. Sie arbeitete an einer „Zeittafel“ des „Freiberger Altertumsverein e.V.“ mit, die für alle Orte des damaligen Großkreises
Freiberg von der Besiedlung bis zum Jahr 2000 erstellt werden sollte. Sie erklärte sich bereit, die „Chronik von Sohra“ mit Häuserchronik zu erstellen. Die Errichtung einer eigenen Schule jährte sich 2008 zum 140. Mal. Das war der richtige Anlass und auch noch genügend Zeit für die Vorbereitungen. Anfangs belächelten Skeptiker unsere Idee, da unsere Schule 1959 geschlossen wurde, aber von den Schülern, die sie damals besuchten, gab es noch viele. Die freuten sich darauf, sich wieder zu treffen und in alten Erinnerungen zu schwelgen. Als sich das Festkomitee am 20.02.2004 zur 3. Sitzung traf, wurde die Idee geboren, einen Heimatverein Sohra zu gründen, was noch in der gleichen Sitzung in die Tat umgesetzt wurde. Als Vorsitzender wurde Hubert Butze gewählt, sein Stellvertreter wurde Jürgen Schaarschmidt.
Sohra ist der kleinste Ortsteil der Gemeinde Bobritzsch-Hilbersdorf im Landkreis Mittelsachsen – eingebettet zwischen den Nachbarorten Niederbobritzsch, Oberbobritzsch, Colmnitz, Pretzschendorf und Friedersdorf. Er liegt idyllisch beiderseits entlang des Sohrbaches, der am oberen Ortsausgang von Sohra entspringt und in Niederbobritzsch in die Bobritzsch mündet. Die Gemeinde Bobritzsch-Hilbersdorf liegt in einem landschaftlich schönen Gebiet am Fuße des Erzgebirges zwischen der „Silberstraße“ und dem Tharandter Wald.
Die hiesige Gegend war einst von undurchdringlichem Urwald, dem „Miriquidi“, bedeckt, in dem viele Tiere und Menschen unterschiedlicher Kulturen lebten, darunter auch Gruppen von Sorben. Sie gaben ihren Plätzen Namen, die man bei späterer Anlage der Orte weiter benutzte. Unsere Gegend gehörte zur Markgrafschaft Meißen. Um Gewinn zu erzielen, musste der Wald gerodet, das Land urbar gemacht und bevölkert werden. Das erfolgte in zwei planmäßig organisierten Besiedlungsaktionen. Markgraf Otto (später „der Reiche“ genannt) war von 1156 – 1190 mit der Markgrafschaft Meißen belehnt und begann bald nach seinem Amtsantritt mit der weiteren planmäßigen Erschließung und Besiedlung seiner Ländereien.
Es war die Hauptphase der Besiedlung des Erzgebirgsraumes.
Die Form der Ortslage als Reihen- und Waldhufendorf entspricht der planmäßigen hochmittelalterlichen Kolonisation im 12. Jahrhundert.
Die Anfänge der Geschichte unseres Ortes liegen im Dunklen und werden in „Sagen“ von Generation zu Generation weitergegeben. Seine erste urkundliche Erwähnung als „Zarowe“ liegt als Urkunde aus dem Jahr 1295 vor, wo Johannes Rufus, der Besitzer des „Vorwerks“, das sich in der Nähe der Straßenkreuzung Sohra-Pretzschendorf-Friedersdorf-Oberbobritzsch befand, verfügte, dass sein Anwesen nach dem Ableben seiner Töchter Elisabeth und Hedwig zur Verpflegung schwacher und gebrechlicher Personen ans Hospital kommt. Bei dem erwähnten „Hospital“ handelt es sich um das Hospital „St. Johannis“ vor dem Peterstor zu Freiberg. Es ist eine milde rechtsfähige „Stiftung“, die von der Kirche und der Stadt Freiberg verwaltet wird. Mit obiger Urkunde wird Sohra zum „Hospital- und Ratsdorf“ der Stadt Freiberg und hat dorthin Abgaben zu leisten und Frondienste zu verrichten. Als „Vorwerk“ erhielt es nicht nur die Einkünfte von Sohra, es besaß auch die herrschaftlichen Rechte über den Ort.
Früher erstreckte sich Sohra von der Grenze zu Niederbobritzsch bis nach Friedersdorf. Um 1700 erwarb die Gemeinde Oberbobritzsch die „Vorwerksfelder“, worauf sich heute noch der Gemeindewald mit dem sagenumwobenen „Jungfernborn“ befindet.Das „Vorwerk“ wurde auch als „Wasserburg“ bezeichnet, wovon noch eine Ringwallanlage in der Quellmulde des Sohrbaches vorhanden ist. Dieses „Bodendenkmal“ aus frühgeschichtlicher Zeit ist geschützt und darf nicht verändert werden. Diese Anlage ist heute mit dichtem Strauchwerk und Bäumen bewachsen.
Die Ereignisse der Geschichte sind auch an Sohra nicht einfach vorüber gegangen. In den vergangenen Jahrhunderten durchlebte der kleine Ort eine wechselvolle Geschichte. Wechselnde Machthaber, Kriege, Einquartierungen, Plünderungen, Hungersnöte und Krankheiten bekamen auch Sohraer Bürger zu spüren. Vor allem im 30-jährigen Krieg (1618-1648) verloren viele ihr Leben oder gingen wirtschaftlich zu Grunde. Im Ort gab es 3 Mühlen, wovon heute keine mehr erhalten ist.
1843 wurde die erste Feuerspritze angeschafft und 1892 erfolgte die Gründung der „Freiwilligen Löschmannschaft“, der heutigen Freiwilligen Feuerwehr Sohra, die 2017 ihr 125-jähriges Jubiläum feierte. Ihre Mitglieder sind an vielen Aktivitäten im Ort beteiligt.
Früher mussten die Kinder den beschwerlichen Schulweg nach Oberbobritzsch zurücklegen, um die dortige „Kirchschule“ zu besuchen. 1868 wurde in Sohra eine eigene Schule errichtet und ein ständiger Lehrer angestellt. Sie wurde 1959 geschlossen und alle Kinder nach Niederbobritzsch umgeschult. Dafür erhielt Sohra eine eigene Buslinie, um den Schüler- und Berufsverkehr abzusichern. Heute besuchen die Kinder die Grundschule in Oberbobritzsch, die Mittelschule in Niederbobritzsch oder das Gymnasium in Freiberg. Die Buslinie Frauenstein-Freiberg führt jetzt über Sohra.
Für die Opfer des 1. und 2. Weltkrieges wurde 1921 ein Denkmalplatz in der Ortsmitte angelegt und ein Gedenkstein mit den Namen der Opfer errichtet. 2002 erfolgte eine Erweiterung um 2 Gedenksteine, worauf die Namen der Opfer beider Weltkriege zu lesen sind. Damit gibt es nun eine Stätte, um der Einwohner von Sohra zu gedenken, deren letzte Ruhestätte sich in fernen Ländern befindet.
Am 8. Mai 1945 ging der 2. Weltkrieg zu Ende. Es folgte ein massiver Umsturz des Systems. Eine Welle der Vertreibung der Menschen aus Schlesien, Ostpreußen, Sudetenland, Pommern, Ungarn usw folgte. Auch Sohra wurden „Flüchtlinge“ zugeteilt. Die Wohnungsnot war kaum beherrschbar. Es wurden Spenden organisiert und an Bedürftige verteilt.
In den 1960er Jahren begann die Umgestaltung der Landwirtschaft. Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) wurden gegründet, d.h., Zusammenlegung der Felder, um Großraummaschinen einsetzen zu können. Die Tierbestände wurden ebenfalls zusammengelegt und eine große Rinderstallanlage errichtet.
1989 kam die politische und wirtschaftliche „Wende“ für die DDR, der 1990 die Wiedervereinigung Deutschlands folgte. Für viele bedeutete das ein „Neuanfang“, denn staatliches Eigentum musste wieder in Privateigentum umgewandelt werden. Im Osten des Landes kaum machbar, da es an finanziellen Rücklagen fehlte. Viele Betriebe wurden geschlossen oder gingen an Eigentümer aus den alten Bundesländern über. Es kam zu Massenentlassungen.
Auch die Landwirtschaft wurde neu organisiert. Aus den ehemaligen LPG gingen größtenteils Agrargenossenschaften hervor.
In Sohra wagte es Erhard Grimmer als „Wiedereinrichter“. Er erhielt sein ehemaliges Land zurück und pachtete oder kaufte Flächen dazu, um mit einer großen Rinderherde für sich und seine Familie den Lebensunterhalt zu verdienen.
Sohra hat z.Zt. etwa 173 Einwohner.
Der Ort wurde 1997 in das „Sächsische Dorfentwicklungsprogramm“ aufgenommen, da er zu den wenigen Dörfern zählt, die in ihrer Struktur weitgehend unbeeinflusst geblieben sind. Dieses „Kleinod“ soll bewahrt bleiben.
An allen Zufahrten werden Einwohner, Gäste oder Durchreisende durch
Begrüßungsschilder empfangen, die der „Heimatverein Sohra“ errichtete und in Ordnung hält. Auch die „Wegesäule“ wurde nach Restaurierung und Ergänzung der Inschrift an ihrem ehemaligen Standort, dem heutigen „Bürgerhaus“, wieder aufgestellt.
Fährt oder wandert man durch den Ort, ist der „Eichenberg“ zwischen Sohra und Oberbobritzscher Flur mit seinem Eichenpaar gut zu erkennen. Hierüber führte bis in die 1960er Jahre der „Kirchsteig“, den je ein Eichenpaar auf beiden Fluren säumte. Das auf Sohraer Seite trug eine „Eule“ als Symbol des Naturschutzes. Wind und Wetter hatten den Bäumen stark zugesetzt und starke Äste abgebrochen, so dass der Verfall schon sehr fortgeschritten war.
Da die Eichen im Ortssiegel von unserem unvergessenen Kunstmaler Ernst Berger 1947 festgehalten wurden, hat der „Heimatverein Sohra“, dessen Logo ebenfalls die Eichen enthält, am 11. Oktober 2015 eine „Ersatz-Neupflanzung“ von 2 Eichen in unmittelbarer Nähe des alten Eichenpaares vorgenommen. Dieses verbleibt an seinem alten Standort. Möge das neue Eichenpaar ebenso kräftig wachsen und das Ortsbild prägen, wie das alte Eichenpaar.
Im Ortskern von Sohra fällt das mit sehr vielen Eigenleistungen seiner Bürger und mit Fördermitteln der Gemeinde rekonstruierte „Bürgerhaus mit Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr“ auf. Es ist das „Schmuckstück“ des Ortes und wird gern für Festlichkeiten der Gemeinde, der Vereine sowie von auswärtigen Gästen genutzt.
Gegenüber befindet sich das ehemalige „Erbgericht“. Es wurde durch Prof. Dr. Wolfram Scharff erworben und mit Hilfe von Fördermitteln und Einsatz regionaler Architekten und Handwerker in den Jahren 2009 – 2015 ausgebaut, wobei äußerlich der Charakter des Dreiseithofes erhalten geblieben ist. Es dient heute als Wohn- und Arbeitsstätte der Familie sowie als internationale und regionale Bildungs- und Begegnungsstätte.
Dieses Ensemble – aber auch alle anderen Höfe und Häuser im Ort können sich sehen lassen. Dass die Sohraer Heimat verbunden sind, zeigen die vielen neuen „Eigenheime“ und auch Rekonstruktionen von Altbausubstanz. Sie nehmen dafür viele Beschwerlichkeiten des Alltags auf sich. War früher die Landwirtschaft der Haupterwerb im Ort, dient heute der Großteil der Güter Wohnzwecken und kleinen Dienstleistungsunternehmen.
Die „Alte Freiberger Straße“ – auch „Hohlweg“ genannt sowie die „Pretzschendorfer Straße“ oder als „Fürstenweg“ bezeichnet, waren früher die Verkehrsverbindungen zwischen Freiberg, Dippoldiswalde und Dresden. Der „Heimatverein Sohra“ sorgte in gemeinsamen Einsätzen wieder für ihre Durchgängigkeit. Sie werden heute gern als Rad- und Wanderwege genutzt, wovon sich ein schöner Blick auf den Ort bietet. Es bildet einen Teil des „Rad- und Wanderwegenetzes“ der Gemeinde Bobritzsch-Hilbersdorf.
Siegrid Edinger
Ortschronistin von Sohra